Badisch gut - Genuss hat eine Heimat
vom 30.09.201947 Konventuale blickten im Mai 2019 nach der Idee und Leitung von Kapitularin Hannelore Mehl über die Grenzen des Rheingaus hinaus. Ziel war der Kaiserstuhl, das südlichste und sonnenverwöhnteste Weinanbaugebiet Baden-Württembergs.
Mit atemberaubendem Blick über den Rhein und die Vogesen auf dem historischen Münsterberg gelegen war das Hotel „Stadt Breisach“ in Breisach für fünf Tage unser Domizil. Ein reichhaltiges Frühstück am Morgen war der perfekte Start für unsere zahlreichen „weinigen“, kulinarischen und kulturellen Unternehmungen.
Nach der obligatorischen Vesper am Sonntag mit „Weck, Worscht und Woi“ erwartete uns am frühen Nachmittag Anton Hanagarth in der Sektmanufaktur Geldermann zu einer Kellerführung und anschließender Verkostung der Exclusivmarke „Les Grands“, Sekte mit ausgewogenem Geschmack, einem Cuvèe der Rebsorten Pineau Loire, Char- donnay und Pinot Noir, beim Rosé kommt noch Ugni Blanc dazu. Mit dem feinst abgestimmten Fingerfood aus der „Achkarrener Krone“ war der Genuss perfekt. Geldermann ist seit 1924 in Breisach ansässig, französisch geprägt durch die Gründer Geldermann & Deutz aus Aachen, seit 1995 getrennt. Das Motto von Marc Gauchey, einem Elsässer, der mehr als ein Vierteljahrhundert als Chef der Cave tätig ist, lautet: „Sekt machen ist eine Mischung von Handwerk und Kunst“. Heute ist die Kellerei Teil der Unter-nehmensgruppe Rotkäppchen.
Am Sonntagabend wurden wir zunächst im Hof der Löwenstrauße des Bio-Weingutes Schaffner in Bötzingen mit Sekt und Flammkuchen empfangen. Mit sehr überzeugender Darstellung seiner eigenen Philosophie wusste Thomas Schaffner Sekt und Weine im historischen Gewölbekeller bei der Weinprobe mit den uns nicht bekannten Rebsorten Helios und Prior, sehr robust, mehltau-resistent in Richtung Piwis, vorzustellen. Dazu mundeten uns „Brägelie“, Bauernwurst, Wurstsalat und Bibiliskäse. Es wurde spät. Am Fuße des Münsterbergs stiegen wir in Taxis um, da die Busfahrt zum Hotel wegen des sehr, sehr engen Stadttores zu gefährlich war.
Montag ging es nach kurzer Fahrt nach Neuf Brisach, wo wir von Jean Marie Dischler im historischen Kostüm durch die Befestigungs-anlagen geführt wurden. Seit 2008 gehören diese zusammen mit anderen Bauwerken in ganz Frankreich zum UNESCO-Weltkulturerbe „Festungs- anlagen von Vauban“. Die Festungsstadt Neuf Brisach ist geometrisch sternförmig als Achteck angelegt, das an jeder Spitze einen bastionierten Turm besitzt. 20 Poterne (Durchgänge durch den Wall) und vier Prunktore ermöglichten schnelle Truppenbewegungen. Die Straßen sind um ein Quadrat, den Place d’Armes, rechtwinklig angeordnet. Der zentrale Platz wurde als Exerzier- und Appellplatz freigehalten. Alles in dieser Kleinstadt, selbst die Kirche, ist dem militärischen Zweck untergeordnet. Eine überaus beeindruckende Festung von Baumeister Vauban auf Intitiative Ludwig XIV gebaut, die nie eingenommen wurde.
„Wein ist unser Leben, Leidenschaft und Impuls“. Mit diesem Slogan empfing uns Frank Briem in Wasenweiler in seinem Weingut mit dem beeindruckenden Hof, der neuen Halle mit modernster Technologie und nicht zu vergessen, der beeindruckenden Weinprobe im neuen Barriquekeller und dem tollen, üppigen Buffet. Hauptrebsorten sind zu 40% Spätburgunder, 30% Grauburgunder und 20% Weißburgun- der, in kleinen Chargen baut Frank Briem noch Müller Thurgau, Sau- vignon, Muskateller, Auxerois und Chardonnay an. Der Blick in die Zukunft sind ökonomische, ökologische und soziale Belange.
Da auch die Kultur auf unserer Reise nicht zu kurz kommen darf, be- sichtigten wir am frühen Abend mit Herrn Göggel das auf dem Münsterberg gelegene St. Stephansmünster, eine Sehenswürdigkeit weit über die Stadtgrenze sichtbar. Markant die beiden unterschied-lichen Türme des dreischiffigen, romanischen Bauwerks aus dem 12. Jahrhundert. Sehenswert ist das über 100 Quadratmeter große Wandbild, das „Jüngste Gericht“ von Martin Schongauer sowie der Hochaltar aus den Jahren 1515 – 1523 mit der versteckten Signatur HL. Es wird vermutet, dass es sich um den bisher unbekannten Meister Hans Loy handelt.
Am Dienstag „wagten“ wir die Fahrt nach Freiburg, labten uns auf dem Münsterplatz mit der „Langen Roten“, bevor uns Elvira Higle in der Badischen Vinothek „Alte Wache“ zur Weinprobe von Markgräfler Weinen der Weingüter Zähringer (Heitersheim), Bezirkskellerei Mark- gräflerland, Dr. Schneider (Zunzingen), Winzergenossenschaft Britzin- gen, Fritz Waßmer (Bad Krotzingen), Wein&Hof (Hügelheim) zu Gutedel, Chasselas, Sauvignon Blanc, Spätburgunder, Weißburgunder und Merlot und allerfeinsten Tapas einlud. Besonders hatten einigen Konventualen die zum Schluss gereichten Macarons gemundet. So gestärkt ging es nach Ihringen in das VdP-Weingut Stigler, einem Mehrgenerationenhaus mit Rudolf und Hildegard, Andreas und Regina sowie Enkel Maximilian, Geisenheimer Absolvent, seit 2017 mit im Weingut tätig. Sportlich spielt er Fußball in der „Weinelf“ im Mittelfeld und als Torwart. Gekonnt referierte er die Weinprobe mit Chardonnay, Silvaner, Pinot Rosè, Weiß-, Grau- und Spätburgunder der Ersten und Große Lage. Hier wird zu 100 Prozent per Hand gelesen.
Im Herzen des Kaiserstuhls, in Vogtsburg-Schelingen, beeindruckte uns mit außerordentlichen und sehr gut fundierten Kenntnissen die junge Winzerin, Geisenheimerin und Vinissima (ein Berufsnetzwerk für Frauen aus der Weinbranche) Franziska Schätzle. Eine hervor-ragende von ihr gehaltene Weinprobe mit eleganten Burgunder-weinen begeisterte uns. Sie erklärte, dass die Reben hier in einzig-artiger Flora und Fauna, in fruchtbaren Lössböden und minerali-schem Vulkangestein wachsen. Der Kirchberg in Schelingen zählt zu den wertigsten Weinbergen Europas. Hier sind Bienenfresser, Smaragdeidechsen, Orchideen und Wildbienen heimisch. Nur Hand-lese und Begrünung ist hier Standard.
Am Mittwoch, leider mit Regen, ging es zum Badischen Winzerkeller Breisach, der neben vielen anderen Punkten allein durch seine schiere Größe zu beeindrucken wusste. Eine Lagerkapazität von ca. 100 Millionen Litern und das entsprechende technische und logistische Konzept dahinter war etwas, was wir vorher noch nie zu Gesicht bekamen.
Zunächst wurden wir mit einem Glas Sekt begrüßt, bevor wir mit dem „Bähnle“ durch das unterirdische Kellerarchiv zum romantischen Holzfasskeller, einem der größten Europas, fuhren. Zur anschlie-ßenden Weinprobe mit Rotem Gutedel, Spätburgunder Rosé und Pinot Noir, referiert von Frau Withum, wurden wir von Dr. Schuster, dem Aufsichtsratvorsitzenden, begrüßt. Mit leckeren Quiches gestärkt ging es weiter nach Burkheim in das VdP-Weingut Bercher, einem Burgunderbetrieb, wo Rainer Bercher und Sohn Arne es verstehen, bei der Vinifikation und Reifung der Weine im Keller den individuellen Charakter der einzelnen Weine herauszuarbeiten. Die eingespielte Zusammenarbeit der Generationen ist das Geheimnis ihres nachhaltigen Erfolges.
Donnerstag, bei der letzten Weinprobe im Weingut Salwey in Ober- rotweil, kredenzte man uns im alten Gewölbekeller die Weinprobe. Auch hier klug auf die Burgunderfamilie abgestimmte Weine des tu- nesischen Weinmachers Boubaker „Sandi“ Benzarti, Kellermeister und Innenbetriebsleiter. Seit 30 Jahren im Betrieb, kennt er jeden Stein und ungezählte Anekdoten. Als rechte Hand von Wolf Salwey war er maßgeblich an der Entwicklung des Weingutes bis zur Spitze in Deutschland beteiligt. Die Weinpalette spiegelt aufs Allerhöchste die Qualitätsphilosophie wieder.
Zur Stärkung auf der Heimfahrt lieferte uns die Metzgerei Selb aus Ih- ringen Riesenbretzel, belegt mit Wurst, Schinken Käse und Fisch, die großen Beifall fanden. Reinhold Pohl schrieb: Auch nach ein paar Tagen Abstand zur Weinreise sind die gewonnenen Eindrücke noch sehr präsent, die Auswahl der Weingüter und die Mixtur mit dem kul- turellen Teil waren sehr gelungen. Alles in Allem eine sehr gelungene Weinreise.
Ein Bericht von Text: H. Mehl, Fotos: R. Zahn-Klingsöhr